LTspice ist ein
prima Simulator für elektronische Schaltungen. Die Firma Linear Technology hat das Tool als Fork des legendären Berkley-Spice f5 für die Simulation ihrer Produkte angepasst und stellt es kostenlos zur Verfügung. Was viele nicht wissen: Man kann
damit wesentlich mehr simulieren als nur elektronische Schaltungen. In der
Technik und den Naturwissenschaften gibt es viele Analogien, die es
ermöglichen, physikalische Abläufe eben mit Hilfe dieser Analogien als
elektrische Schaltung darzustellen und somit für den Spice-Simulator simulierbar zu machen. Selbst so
abwegige zeitliche Abläufe wie Wirtschaftskreisläufe oder die Preisbildung von
Wertpapieren lassen sich bei geeigneter Modellierung mit Spice simulieren. Ich
möchte hier einmal ein eingängiges Beispiel geben, dass die Anwendung dieser
Analogien zeigt.
Heizung in Spice
Es ist zwar noch
Sommer, aber die Heizperiode naht. Vielleicht möchte oder muss der eine oder
andere die heizungsfreie Zeit nutzen, seine Heizung zu erneuern. Man kann
einfach zum Installateur seines Vertrauens gehen und die neue Anlage bestellen.
Aber die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass das Handwerk mit der
zunehmenden Computerisierung einfach überfordert ist. Es ist eben ein
Unterschied, ob man eine fachmännische Hartlötverbindung zu erstellen oder
einen Regelkreis zu optimieren hat. Da wird gerne auf Erfahrungswerte
zurückgegriffen. Pi mal Daumen. Aber leider ist Pi mal Daumen im Zuge von Brennwertoptimierung
nicht unbedingt der richtige Weg, um verschachtelte Regelkreise zu optimieren. Das artet schnell in Trial-and-Error aus.
Deshalb ist es
manchmal gut, wenn man etwas vorgebildet in die Diskussion mit seinem Installateur eintritt und auch mal
die eine oder andere unerwartete W-Frage einbringen kann. Um diese W-Fragen
stellen zu können, kann man sich die Heizung ja einfach mal in Spice vorab aufbauen. WIe das geht, zeige ich gleich.
Analogien
Und das lässt sich mit
LTspice, dem grandiosen Freeware-Simulator von Linear Technology, eigentlich
recht einfach bewerkstelligen. Im Grunde genommen muss man eine Zuordnung der wesentlichen Größen aus der Wärmelehre zu den korrespondierenden Größen der Elektrotechnik vornehmen. Im einzelnen werde ich bei diesem Beispiel folgende
Analogien berücksichtigen:
- Kalorien entsprechen elektrischen Ladungen
- Bewegte Kalorien, also ein Wärmetransport oder Wärmestrom, entsprechen dem elektrischen Strom
- Der Wärmespeicher mit einer Wärmespeicherkapazität entspricht einem Kondensator mit dessen Kapazität
- Die Temperatur entspricht der elektrischen Spannung
- Die Wärmeübergangswiderstände entsprechen den elektrischen Widerständen
- Der Temperaturabfall über einem Heizkörper oder einer Zuleitung entspricht dem Spannungsabfall über einem Widerstand
- Wärmeleistung entspricht elektrischer Leistung
Kurzer Plausibilitätscheck:
Ich erwärme Wasser in einem Kessel, indem ich durch Erhitzen Kalorien zuführe.
Als Folge steigt die Wassertemperatur an. Ich lasse elektrischen Ladungen in
einen Kondensator fließen. Als Folge steigt die Spannung an. Soweit stimmt
alles.
Heizungsregelung
Nun zur Heizungsregelung
selber. Das Ganze soll nur als Beispiel dafür dienen, was man alles mit Spice
simulieren kann, wenn man will. Da dieses Heizungsproblem einige Totzeitglieder beinhaltet habe ich zwei separate Regelkreise vorgesehen, die die Sache entzerren:
- Da die gesamte Strecke integrierendes Verhalten hat, ist eine äußere langsame Regelschleife mit reinem Proportionalverhalten vorgesehen, die die Führungsgröße für die eigentliche Vorlauftemperaturregelung erzeugt. Hier wird die Differenz zwischen dem Innenfühler und dem vorgegebenen Sollwert bestimmt. Da der Regler als Proportionalregler arbeitet, wird hier nur die Regelverstärkung angebracht. Das Ausgangssignal ist auf den Bereich der maximalen Vorlauftemperatur begrenzt.
- Eine innere Regelschleife sorgt dafür, dass die Heizungsvorlauftemperatur entsprechend der Vorgabe der äußeren Schleife eingestellt wird. Hier arbeitet ein allgemein üblicher Zweipunktregler mit Hysterese. Das Ausgangssignal des Zweipunktreglers kennt nur die Zustände „Eingeschaltet“ und „Ausgeschaltet“. Die Funktion ist recht einfach: Sinkt die Vorlauftemperatur unter den unteren Sollwert (Punkt 1), dann wird der Brenner eingeschaltet. Der Brenner heizt jetzt solange, bis der obere Sollwert der Vorlauftemperatur erreicht wird (Punkt 2) und schaltet dann ab. Jetzt wird über die Heizkörper Wärme entnommen, als Folge sinkt die Vorlauftemperatur. Wenn sie unter Punkt 1 sinkt, startet das nächste Brennerspiel. Es handelt sich hierbei fast um eine klassische Digital/Analogwandlung eines 1-bit Digitalsignals durch Pulsweitenmodulation. Das integrierende Verhalten der Strecke filtert das Digitalsignal und durch Mittelwertbildung ergibt sich ein analoger Ausgangswert. Pulsweitenmodulation ist z.B. ein Standardverfahren zur Helligkeitssteuerung von Niedervolt-Glühlampen oder LEDs.
- Raum-Soll-Temperatur (das ist die gewünschte Temperatur)
- Regelverstärkung (hiermit wird die Regeldifferenz multipliziert)
- Offset (kompensiert eine bleibende Regelabweichung bei geringer Regelverstärkung)
- Hysterese (definiert Punk 1 und Punkt 2 symmetrisch um die Soll-Temperatur)
- Maximale Vorlauftemperatur (ab 100° kocht halt das Wasser..)
- Wärmewandlungsverluste des Brenners
- Wärmespeichervermögen der Brennerschlange und des Heizkreislaufes
- Wärmeübergangswiderstand der angeschlossenen Heizkörper
- Wärmespeichervolumen des Raumes
- Außenmauerwerkverluste
Hier helfen
vielfach die Herstellerdaten oder veröffentlichte Normwerte. Heizkörper werden
mit ihrer Heizleistung angegeben. Dann muss man halt die abgegebene Leistung in
einen Kalorienstrom umrechnen, was letztlich den Wärmeübergangswiderstand
ergibt. Die ohmschen Gesetze können aufgrund der Analogien prima angewendet
werden. Kenne ich die Differenz zwischen Vorlauf und Rücklauftemperatur sowie
die Heizleistung, dann kann ich sofort den Wärmeübergangswiderstand berechnen:
Übergangswiderstand
= (Vorlauftemperatur – Rücklauftemperatur)^2 / abgegebene Leistung
Das
Speichervolumen des Raumes kann man experimentell bestimmen. Wenn die Heizung
ausgeschaltet ist, misst man die Temperatur. Dann dreht man den Heizkörper voll
auf, misst dabei Vorlauf- und Rücklauftemperatur. Nach einiger Zeit misst man ein
zweites Mal die Raumtemperatur und natürlich wieder Vor- und
Rücklauftemperatur. Nun hat man alle Daten, um die Kombination aus
Wärmespeicherverhalten des Raumes inklusive des Wärmeverlustes zu bestimmen.
Nun schaltet man die Heizung ganz aus und wartet, bis der Heizkörper
Raumtemperatur angenommen hat. Dann misst man die Raumtemperatur. Nach einer
Wartezeit misst man noch mal die Raumtemperatur. Jetzt kann man aus allen
Messungen das Speicherverhalten des Raumes sowie die Wärmeverluste berechnen
und in die Simulation übernehmen. Die Heizleistung
des Brenners ist in der Regel im Datenblatt des Herstellers angegeben. Die KWs lassen sich
wieder in einen Kalorienstrom umrechnen.
Damit hat man
eigentlich alle Daten, die man benötigt. Die einzustellenden Reglerdaten sind
jetzt Verstärkung und Hysterese. Wird die Verstärkung beim einfachen P-Regler
zu hoch gewählt, kann das System instabil werden und schwingen, aber das wollen
wir ja gerade mit der Simulation herausfinden. Wird die Verstärkung zu niedrig
angesetzt, dann erhält man eine bleibende Regeldifferenz, d.h. der Raum ist
kälter als gewollt. Über die Offseteinstellung kann diese Regeldifferenz
kompensiert werden, so dass die Raumtemperatur genau der Vorgabe entspricht.
Wenn man einmal eine bleibende Differenz von 0.5° zugrunde legt, kann hierüber
die erforderliche Regelverstärkung bestimmt werden. Die Hysterese bestimmt die
Welligkeit der Temperaturabweichung. Wählt man die Hysterese zu gering,
schaltet der Brenner permanent ein und aus, was man bestimmt nicht möchte. Hier
kann man einfach mal von einer Heizdauer im Minutenbereich ausgehen. Aber auch
das zeigt einem die Simulation.
Modell-Komponenten
Der Raumtemperaturregler:
Hier wird zunächst die Differenz zwischen Ist und Soll berechnet und dann mit dem Verstärkungsfaktor (Proportionalfaktor) multipliziert. Das Ergebis wird danach auf realistische Werte begrenzt (limit(grenze 1, wert, grenze 2)).
Der Zweipunktregler:
Der Zweipunktregler arbeitet mit zwei Komparatoren (B3, B2) um die Schwellen zu detektieren, wobei IF(Bedingung,Resultat bei Bedingung erfüllt, Resultat bei Bedingung nicht erfüllt) verwendet wird. Ein Set/Reset-FlipFlop wird beim Unterschreiten der unteren Schwelle gesetzt und beim Überschreiten der oberen Schwelle zurückgesetzt. Die Hysterese ist symmetrisch um den Sollwert angebracht, damit nach Wärmeintegration über das Speichervermögen des Raumes sich die richtige mittlere Temperatur einstellt. Mit R3 und C2 wird die Steilheit des Ausgangssignals beim Wechsel von 1 auf 0 und umgekehrt begrenzt, da es sonst zu numerischen Instabilitäten im Simulator kommt.
Brenner und Heizungssystem:
HIer wird eine Wärmequelle ein- oder ausgeschaltet, die das Wasser auf maximale Heiztemperatur (90 Grad) erwärmen kann. Es sind dann noch einige Wärmeverluste als Widerstände angebracht - wahrscheinlich werden diese in der Praxis gar nicht benötigt. Rheizung entspricht der Parallelschaltung der Übergangswiderstäne aller Heizkörper sowie der Zu- und Ableitungsverluste. Als Lastwiderstand (Rdurchgangsverluste) sind die Verluste durch das Außenmauerwerk angebracht. Die Werte habe ich empirisch festgelegt, so dass einigermaßen sinnvolle Simulationsergebnisse entstehen.
Wenn man alles
verschaltet, sieht es dann wie folgt aus:
Und wenn LTspice
nicht zickt (was kaum vorkommt), erhält man folgendes Ergebnis (alles im
m/kg/s-System, deshalb sind Zeiten in Kilo-Sekunden angegeben…):
Wenn man sich die Simulationsergebnisse so anschaut, dann hätte es auch eine einfache Einkreisregelung getan. Aber dazu sind derartige Simulationen eben da.
Fazit
Der eigenen
Phantasie sind bei der Modellierung keine Grenzen gesetzt. Gerne möchte ich die
Leser ermutigen, die hier gezeigte Regelung einmal zu erweitern, z.B. um eine
außentemperaturgeführte Regelung, eine Nachtabsenkung, eine Sommer/Winter-Umschaltung oder eine Energiekostenabschätzung mit
vorgegebenen Jahrestemperaturprofilen. Das alles ist möglich und ist garantiert
kein Hexenwerk.
Hinweise für Interessierte
Ich modelliere sehr gerne mit
verhaltensgesteuerten Spannungsquellen (BV). Hier bietet LTspice eine
umfangreiche Sammlung von mathematischen und logischen Funktionen, die man auf
Spannungs- oder Stromwerte anwenden kann. LTspice wertet jeweils das numerische
Argument einer Spannung oder eines Stromes aus, der Anwender muss selbst für die
Plausibilität sorgen. Die Verwendung dieser verhaltensgesteuerter
Spannungsquellen vereinfacht das simulierte Netzwerk ungemein und letztlich
wird die Modellierung wieder zur einfachen Programmieraufgabe. Beim
Zweipunktregler habe ich ein fertiges Verhaltensmodell eines
Set-Reset-Flip-Flops verwendet, um Stoppen und Starten des Brenners richtig
umzusetzen. Da die Simulation numerische Instabilitäten zeigte, musste ich die
Flanken des Ausgangssignal mit einem Tiefpassfilter entschärfen
(Flatterfilter).
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