Geht nicht gibt's nicht

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Mittwoch, 15. August 2012

LTspice zur Heizungssimulation



LTspice ist ein prima Simulator für elektronische Schaltungen. Die Firma Linear Technology hat das Tool als Fork des legendären Berkley-Spice f5 für die Simulation ihrer Produkte angepasst und stellt es kostenlos zur Verfügung. Was viele nicht wissen: Man kann damit wesentlich mehr simulieren als nur elektronische Schaltungen. In der Technik und den Naturwissenschaften gibt es viele Analogien, die es ermöglichen, physikalische Abläufe eben mit Hilfe dieser Analogien als elektrische Schaltung darzustellen und somit für den Spice-Simulator simulierbar zu machen. Selbst so abwegige zeitliche Abläufe wie Wirtschaftskreisläufe oder die Preisbildung von Wertpapieren lassen sich bei geeigneter Modellierung mit Spice simulieren. Ich möchte hier einmal ein eingängiges Beispiel geben, dass die Anwendung dieser Analogien zeigt.

Heizung in Spice

Es ist zwar noch Sommer, aber die Heizperiode naht. Vielleicht möchte oder muss der eine oder andere die heizungsfreie Zeit nutzen, seine Heizung zu erneuern. Man kann einfach zum Installateur seines Vertrauens gehen und die neue Anlage bestellen. Aber die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass das Handwerk mit der zunehmenden Computerisierung einfach überfordert ist. Es ist eben ein Unterschied, ob man eine fachmännische Hartlötverbindung zu erstellen oder einen Regelkreis zu optimieren hat. Da wird gerne auf Erfahrungswerte zurückgegriffen. Pi mal Daumen. Aber leider ist Pi mal Daumen im Zuge von Brennwertoptimierung nicht unbedingt der richtige Weg, um verschachtelte Regelkreise zu optimieren. Das artet schnell in Trial-and-Error aus.

Deshalb ist es manchmal gut, wenn man etwas vorgebildet in die Diskussion  mit seinem Installateur eintritt und auch mal die eine oder andere unerwartete W-Frage einbringen kann. Um diese W-Fragen stellen zu können, kann man sich die Heizung ja einfach mal in Spice vorab aufbauen. WIe das geht, zeige ich gleich.

Analogien

Und das lässt sich mit LTspice, dem grandiosen Freeware-Simulator von Linear Technology, eigentlich recht einfach bewerkstelligen. Im Grunde genommen muss man eine Zuordnung der wesentlichen Größen aus der Wärmelehre zu den korrespondierenden Größen der Elektrotechnik vornehmen. Im einzelnen werde ich bei diesem Beispiel folgende Analogien berücksichtigen:

  • Kalorien entsprechen elektrischen Ladungen
  • Bewegte Kalorien, also ein Wärmetransport oder Wärmestrom, entsprechen dem elektrischen Strom
  • Der Wärmespeicher mit einer Wärmespeicherkapazität entspricht einem Kondensator mit dessen Kapazität
  • Die Temperatur entspricht der elektrischen Spannung
  • Die Wärmeübergangswiderstände entsprechen den elektrischen Widerständen
  • Der Temperaturabfall über einem Heizkörper oder einer Zuleitung entspricht dem Spannungsabfall über einem Widerstand
  • Wärmeleistung entspricht elektrischer Leistung
Kurzer Plausibilitätscheck: Ich erwärme Wasser in einem Kessel, indem ich durch Erhitzen Kalorien zuführe. Als Folge steigt die Wassertemperatur an. Ich lasse elektrischen Ladungen in einen Kondensator fließen. Als Folge steigt die Spannung an. Soweit stimmt alles.

Heizungsregelung


Nun zur Heizungsregelung selber. Das Ganze soll nur als Beispiel dafür dienen, was man alles mit Spice simulieren kann, wenn man will. Da dieses Heizungsproblem einige Totzeitglieder beinhaltet habe ich zwei separate Regelkreise vorgesehen, die die Sache entzerren:

  • Da die gesamte Strecke integrierendes Verhalten hat, ist eine äußere langsame Regelschleife mit reinem Proportionalverhalten vorgesehen, die die Führungsgröße für die eigentliche Vorlauftemperaturregelung erzeugt. Hier wird die Differenz zwischen dem Innenfühler und dem vorgegebenen Sollwert bestimmt. Da der Regler als Proportionalregler arbeitet, wird hier nur die Regelverstärkung angebracht. Das Ausgangssignal ist auf den Bereich der maximalen Vorlauftemperatur begrenzt.
  • Eine innere Regelschleife sorgt dafür, dass die Heizungsvorlauftemperatur entsprechend der Vorgabe der äußeren Schleife eingestellt wird. Hier arbeitet ein allgemein üblicher Zweipunktregler mit Hysterese. Das Ausgangssignal des Zweipunktreglers kennt nur die Zustände „Eingeschaltet“ und „Ausgeschaltet“. Die Funktion ist recht einfach: Sinkt die Vorlauftemperatur unter den unteren Sollwert (Punkt 1), dann wird der Brenner eingeschaltet. Der Brenner heizt jetzt solange, bis der obere Sollwert der Vorlauftemperatur erreicht wird (Punkt 2) und schaltet dann ab. Jetzt wird über die Heizkörper Wärme entnommen, als Folge sinkt die Vorlauftemperatur. Wenn sie unter Punkt 1 sinkt, startet das nächste Brennerspiel. Es handelt sich hierbei fast um eine klassische Digital/Analogwandlung eines 1-bit Digitalsignals durch Pulsweitenmodulation. Das integrierende Verhalten der Strecke filtert das Digitalsignal und durch Mittelwertbildung ergibt sich ein analoger Ausgangswert. Pulsweitenmodulation ist z.B. ein Standardverfahren zur Helligkeitssteuerung von Niedervolt-Glühlampen oder LEDs.

 Zur Justage der Heizungsregelung können folgende Parameter geändert werden:
  • Raum-Soll-Temperatur (das ist die gewünschte Temperatur)
  • Regelverstärkung (hiermit wird die Regeldifferenz multipliziert)
  • Offset (kompensiert eine bleibende Regelabweichung bei geringer Regelverstärkung)
  • Hysterese (definiert Punk 1 und Punkt 2 symmetrisch um die Soll-Temperatur)
  • Maximale Vorlauftemperatur (ab 100° kocht halt das Wasser..)
  • Wärmewandlungsverluste des Brenners
  • Wärmespeichervermögen der Brennerschlange und des Heizkreislaufes
  • Wärmeübergangswiderstand der angeschlossenen Heizkörper
  • Wärmespeichervolumen des Raumes
  • Außenmauerwerkverluste
Hier helfen vielfach die Herstellerdaten oder veröffentlichte Normwerte. Heizkörper werden mit ihrer Heizleistung angegeben. Dann muss man halt die abgegebene Leistung in einen Kalorienstrom umrechnen, was letztlich den Wärmeübergangswiderstand ergibt. Die ohmschen Gesetze können aufgrund der Analogien prima angewendet werden. Kenne ich die Differenz zwischen Vorlauf und Rücklauftemperatur sowie die Heizleistung, dann kann ich sofort den Wärmeübergangswiderstand berechnen:

     Übergangswiderstand = (Vorlauftemperatur – Rücklauftemperatur)^2 / abgegebene Leistung

Das Speichervolumen des Raumes kann man experimentell bestimmen. Wenn die Heizung ausgeschaltet ist, misst man die Temperatur. Dann dreht man den Heizkörper voll auf, misst dabei Vorlauf- und Rücklauftemperatur. Nach einiger Zeit misst man ein zweites Mal die Raumtemperatur und natürlich wieder Vor- und Rücklauftemperatur. Nun hat man alle Daten, um die Kombination aus Wärmespeicherverhalten des Raumes inklusive des Wärmeverlustes zu bestimmen. Nun schaltet man die Heizung ganz aus und wartet, bis der Heizkörper Raumtemperatur angenommen hat. Dann misst man die Raumtemperatur. Nach einer Wartezeit misst man noch mal die Raumtemperatur. Jetzt kann man aus allen Messungen das Speicherverhalten des Raumes sowie die Wärmeverluste berechnen und in die Simulation übernehmen. Die Heizleistung des Brenners ist in der Regel im Datenblatt des Herstellers angegeben. Die KWs lassen sich wieder in einen Kalorienstrom umrechnen.

Damit hat man eigentlich alle Daten, die man benötigt. Die einzustellenden Reglerdaten sind jetzt Verstärkung und Hysterese. Wird die Verstärkung beim einfachen P-Regler zu hoch gewählt, kann das System instabil werden und schwingen, aber das wollen wir ja gerade mit der Simulation herausfinden. Wird die Verstärkung zu niedrig angesetzt, dann erhält man eine bleibende Regeldifferenz, d.h. der Raum ist kälter als gewollt. Über die Offseteinstellung kann diese Regeldifferenz kompensiert werden, so dass die Raumtemperatur genau der Vorgabe entspricht. Wenn man einmal eine bleibende Differenz von 0.5° zugrunde legt, kann hierüber die erforderliche Regelverstärkung bestimmt werden. Die Hysterese bestimmt die Welligkeit der Temperaturabweichung. Wählt man die Hysterese zu gering, schaltet der Brenner permanent ein und aus, was man bestimmt nicht möchte. Hier kann man einfach mal von einer Heizdauer im Minutenbereich ausgehen. Aber auch das zeigt einem die Simulation.

Modell-Komponenten

Der Raumtemperaturregler:

Hier wird zunächst die Differenz zwischen Ist und Soll berechnet und dann mit dem Verstärkungsfaktor (Proportionalfaktor) multipliziert. Das Ergebis wird danach auf realistische Werte begrenzt (limit(grenze 1, wert, grenze 2)).

Der Zweipunktregler:


Der Zweipunktregler arbeitet mit zwei Komparatoren (B3, B2) um die Schwellen zu detektieren, wobei IF(Bedingung,Resultat bei Bedingung erfüllt, Resultat bei Bedingung nicht erfüllt) verwendet wird. Ein Set/Reset-FlipFlop wird beim Unterschreiten der unteren Schwelle gesetzt und beim Überschreiten der oberen Schwelle zurückgesetzt. Die Hysterese ist symmetrisch um den Sollwert angebracht, damit nach Wärmeintegration über das Speichervermögen des Raumes sich die richtige mittlere Temperatur einstellt. Mit R3 und C2 wird die Steilheit des Ausgangssignals beim Wechsel von 1 auf 0 und umgekehrt begrenzt, da es sonst zu numerischen Instabilitäten im Simulator kommt.

Brenner und Heizungssystem:


HIer wird eine Wärmequelle ein- oder ausgeschaltet, die das Wasser auf maximale Heiztemperatur (90 Grad) erwärmen kann. Es sind dann noch einige Wärmeverluste als Widerstände angebracht - wahrscheinlich werden diese in der Praxis gar nicht benötigt. Rheizung entspricht der Parallelschaltung der Übergangswiderstäne aller Heizkörper sowie der Zu- und Ableitungsverluste. Als Lastwiderstand (Rdurchgangsverluste) sind die Verluste durch das Außenmauerwerk angebracht. Die Werte habe ich empirisch festgelegt, so dass einigermaßen sinnvolle Simulationsergebnisse entstehen.

Wenn man alles verschaltet, sieht es dann wie folgt aus:


Und wenn LTspice nicht zickt (was kaum vorkommt), erhält man folgendes Ergebnis (alles im m/kg/s-System, deshalb sind Zeiten in Kilo-Sekunden angegeben…):


Wenn man sich  die Simulationsergebnisse so anschaut, dann hätte es auch eine einfache Einkreisregelung getan. Aber dazu sind derartige Simulationen eben da.

Fazit

Der eigenen Phantasie sind bei der Modellierung keine Grenzen gesetzt. Gerne möchte ich die Leser ermutigen, die hier gezeigte Regelung einmal zu erweitern, z.B. um eine außentemperaturgeführte Regelung, eine Nachtabsenkung, eine Sommer/Winter-Umschaltung  oder eine Energiekostenabschätzung mit vorgegebenen Jahrestemperaturprofilen. Das alles ist möglich und ist garantiert kein Hexenwerk.

Hinweise für Interessierte

Ich modelliere sehr gerne mit verhaltensgesteuerten Spannungsquellen (BV). Hier bietet LTspice eine umfangreiche Sammlung von mathematischen und logischen Funktionen, die man auf Spannungs- oder Stromwerte anwenden kann. LTspice wertet jeweils das numerische Argument einer Spannung oder eines Stromes aus, der Anwender muss selbst für die Plausibilität sorgen. Die Verwendung dieser verhaltensgesteuerter Spannungsquellen vereinfacht das simulierte Netzwerk ungemein und letztlich wird die Modellierung wieder zur einfachen Programmieraufgabe. Beim Zweipunktregler habe ich ein fertiges Verhaltensmodell eines Set-Reset-Flip-Flops verwendet, um Stoppen und Starten des Brenners richtig umzusetzen. Da die Simulation numerische Instabilitäten zeigte, musste ich die Flanken des Ausgangssignal mit einem Tiefpassfilter entschärfen (Flatterfilter).

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